
Startups in Tunesien
Mit Hilfe aus Deutschland in ein neues Leben
Tunesien sei ein “Leuchtturm der Hoffnung”. Dieser Satz von Angela Merkel ist Balsam auf die geschundene Seele der Menschen in dem nordafrikanischen Staat. Also versprach die deutsche Bundeskanzlerin bei ihrem letzten Besuch vor rund einem Jahr in Tunis, dass Deutschland das Land weiter kräftig unterstütze. Sieben lange Jahre sind seit der Revolution vergangen, doch Tunesien liegt wirtschaftlich noch immer am Boden.
Um das zu ändern, hat die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) Tunesien zu einer Art Schwerpunktregion für ihre Projekte im Maghreb erklärt. So werden etwa junge Arbeitssuchende gezielt gefördert, damit sie einen Job in ihrer Heimat finden - und nicht versuchen, möglicherweise über das Meer illegal nach Europa zu gelangen.
Ein Problem in Tunesien ist, dass im öffentlichen Sektor die Zahl der Stellen stark zurückgeht und die Angebote im privaten Bereich nicht immer wirklich attraktiv sind. Aus diesem Grund planen viele junge Menschen in dem Maghreb-Staat den Sprung in die Selbstständigkeit. Vor allem der Agrarbereich bietet viele Möglichkeiten für innovative Geschäftsideen.
Die GIZ bietet Unterstützung beim Aufbau eines Startups. Dabei geht es nicht nur darum, die sehr hohen Verwaltungshürden zu meistern oder eine Finanzierung auf die Beine zu stellen. Den meisten Existenzgründern fehlt es auch an den grundlegenden unternehmerischen Fähigkeiten. Die GIZ unterstützt deshalb junge Leute, die sich in Marketing, Kommunikation und Management fortbilden wollen. Zusätzlich werden sie durch intensive Coachings in der der wichtigen Phase vor und nach der Gründung ihres Startups begleitet.
Leith Tlemçani hat solch ein Coaching durchlaufen und leitet inzwischen ein kleines Unternehmen. Er ist Geschäftsführer von Herbiotech Aroma, einer Firma nahe der kleinen Stadt Bouarada im tunesischen Hinterland, die sich auf die Produktion und den Verkauf von getrockneten Kräutern spezialisiert hat. Hauptabnehmer sind Firmen in Deutschland. „Alles 100 Prozent organisch, rein und natürlich“, sagt Tlemçani, der nebenbei auch an einer Privat-Universität in Tunis unterrichtet. Er redet mir weit ausladenden Gesten: die Freude an der Arbeit und am Erfolg des einst kleinen Startup-Unternehmens ist ihm anzumerken.
Projekte in der Landwirtschaft spielen eine wichtige Rolle für die tunesische Wirtschaft. Fast ein Fünftel der Beschäftigten arbeiten in diesem Bereich, in ländlichen Regionen sogar fast die Hälfte. Trotzdem generiert der Agrarsektor weniger als 10 Prozent des Bruttoinlandproduktes. Vor allem in strukturschwachen Regionen im Hinterland Tunesiens, wohin sich selten Touristen verirren, ist die Landwirtschaft ein wichtiger Entwicklungsfaktor. Neben klassischen kleinbäuerlichen Betrieben, die vor allem Kartoffeln anbauen oder Milchwirtschaft betreiben, fördert das Deutsche Bundesentwicklungsministerium in Zusammenarbeit mit der GIZ das Grüne Innovationszentrum. Dort werden junge Existenzgründer beraten, die Startups im Agrarsektor aufbauen – einer von ihnen war Leith Tlemçani.
Mit dem ursprünglichen Beruf von Leith Tlemçani hat die Herstellung von Trockenkräutern nur indirekt etwas zu tun. Er hat in Frankreich studiert und danach für Biotech-Firmen gearbeitet, wo er Bakterien und Biomoleküle produzierte. Doch er wollte zurück in seine Heimat Tunesien. Zuhause angekommen machte er sich 2011 auf die Suche nach einer Geschäftsidee. „Naturnah und ökologisch sauber sollte es sein“, sagt er. Schnell erkannte er, dass in Tunesien sehr viele Kräuter wachsen, die verarbeitende Industrie aber nicht sehr weit entwickelt und die Qualität der angebotenen Ware schlecht ist.
Doch Leith Tlemçani war kein Geschäftsmann. Hier kam die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit ins Spiel. Über die Organisation konnte er an einem Projekt teilnehmen, das Mentoren aus Deutschland nach Tunesien schickt, um junge Unternehmensgründer zu schulen. Er lernte Business-Pläne zu machen, Kosten zu kalkulieren, Marktanalysen zu erstellen: das kleine Einmaleins der Geschäftswelt. „2015 war ich dann noch einen Monat in Köln bei einem Managing-Kurs“, erzählt der 35-Jährige. „Dort habe ich sehr viele Kontakte zu Unternehmen geknüpft, die nun zu meinen Kunden zählen“. Der allergrößte Teil der Produktion von Herbiotech Aroma geht inzwischen nach Deutschland.
Wie die Trockenkräuter produziert werden, sehen Sie in der Bilderstrecke:
In seiner Unternehmensgeschichte musste Leith Tlemcani allerdings auch mit Rückschlägen zurechtkommen. Anfangs, bis 2013, hatte die Firma vor allem Olivenöl produziert. „Doch der Markt ist sehr schwierig und von der Konkurrenz aus Italien und Spanien besetzt.“ Also schwenkte er ein Jahr später um auf Bio-Kräuter und traf offenbar eine Marktlücke. Hauptprodukte des Unternehmens sind nun vor allem getrocknete Olivenblätter, Dill, Petersilie und Pfefferminze, aber auch Basilikum, Koriander und Thymian.
Im Video erzählt Leith Tlemcani von der Gründung seiner Firma.
Besonders stolz ist der Geschäftsführer, dass zu seinen Kunden seit wenigen Wochen auch die deutsche Bio-Firma Lebensbaum zählt. Deren Qualitätsstandards seien besonders hoch. Das erhöht natürlich auch den Erfolgsdruck: „Die Verträge können im Grund jederzeit gekündigt werden, wenn die Qualität nicht mehr stimmt“, sagt Leith Tlemçani. Der junge Mann weiß, dass das über lange Zeit aufgebaute Vertrauen durch einen einzigen Fehler schnell zerstört werden kann. Aus diesem Grund will er in Zukunft auch alle Kräuter selbst anbauen, um die Qualität ständig unter Kontrolle zu haben. Bisher wurden viele Pflanzen zugekauft. Zudem werde das Qualitätsmanagement weiter ausgebaut.
Auch Lobna Dams hat von der Unterstützung der GIZ profitiert. Die promovierte Chemikerin hat 2016 ein Startup für Biokosmetik gegründet. Auf ihrer kleinen Farm in der Region Monastir baut sie Kaktusfeigen und Moringa in Bio-Qualität an. Die verarbeitet sie dann zu Kosmetikprodukten und Tees, die sie unter dem Namen Nakawa verkauft. Das ist das arabische Wort für Reinheit.
„Ich habe mit dem Öl aus dem Stamm der Kaktuspflanzen begonnen“, erzählt sie über ihre Erfahrungen. „Schnell habe ich gesehen, dass nach der Produktion noch sehr viele Teile der Pflanze einfach weggeworfen werden. Da kam mir die Idee, etwa auch die Kerne der Feigen zu verwenden, aus denen wir Öl pressen.“
Vor ihrem Start ins Unternehmertum hat Lobna Dams an einem Wettbewerb teilgenommen - und ihre Idee wurde als förderungswürdig erachtet. Daraufhin hat die 36-Jährige die nötigen Geräte erhalten, die ihr die Arbeit auf dem Feld und in ihrer Manufaktur erleichtern. Außerdem profitierte sie von Trainings und Coachings.
In der Bilderstrecke wird der Arbeitsablauf beschrieben.
Inzwischen arbeiten auch vier fest angestellte Leute und 20 Saisonarbeiter auf dem 40 Hektar großen Gelände, die zwischen Juli und Oktober bei der Ernte helfen.
150 Liter Öl kann Lobna Dams pro Saison aus den Kernen der Kaktusfeigen produzieren. „Es ist sehr gut für die Haut“, sagt sie und träufelt sich einige Tropfen auf den Handrücken. „Weil es so rein ist, zieht es sehr schnell ein.“ Und sie versichert, dass durch dieses Öl zum Beispiel Altersflecken deutlich zurückgehen würden. „Die Frauen der Berber haben das Öl schon seit Generationen aus den Kernen extrahiert“, sagt die junge Frau. „Damit haben sie Verbrennungen behandelt.“
In de folgenden Video erklärt die Existenzgründerin, wie die Feigen behandelt werden und wie das Öl hergestellt wird.
Das Unternehmen von Lobna Dams steckt allerdings noch in den Kinderschuhen. „Im Moment beliefere ich fünf Kosmetikgeschäfte hier in Tunesien mit meinen Produkten“, sagt sie. Es sei schwer, ein neues Produkt auf dem Markt bekannt zu machen. Anfangs sie fast daran verzweifelt, aber inzwischen laufe es langsam an. Ihr Plan ist, in die Hotels in den Küstenorten Monastir zu Sous zu gehen, wo kaufkräftige Touristen das Öl dann erstehen können.
Besonders stolz ist Lobna Dams auf ihre Auszeichnung. Sie hat in Tunesien den Preis für die „Unternehmerin des Jahres 2018“ bekommen. „Das ist eine große Bestätigung und macht mir Mut, weiter an meinem Projekt zu arbeiten“, sagt sie.